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BGH GRUR 2021, 1400 "Kennzeichnungspflicht von Influencerbeiträgen als Werbung auf Instagram bei „werblichem Überschuss“ - Influencer I"

1. Eine Influencerin, die Waren und Dienstleistungen anbietet und über ihren Auftritt in sozialen Medien (hier: Instagram) bewirbt, nimmt mit ihren in diesem Auftritt veröffentlichten Beiträgen regelmäßig geschäftliche Handlungen zugunsten ihres eigenen Unternehmens vor.

2. Erhält eine Influencerin für einen werblichen Beitrag in sozialen Medien eine Gegenleistung, stellt diese Veröffentlichung eine geschäftliche Handlung zugunsten des beworbenen Unternehmens dar.

3. Erhält eine Influencerin für einen in sozialen Medien veröffentlichten Beitrag mit Bezug zu einem Drittunternehmen keine Gegenleistung, stellt diese Veröffentlichung eine geschäftliche Handlung zugunsten des Drittunternehmens dar, wenn der Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich ist, also einen werblichen Überschuss enthält, so dass die Förderung fremden Wettbewerbs eine größere als nur eine notwendigerweise begleitende Rolle spielt.

4. Ob ein Beitrag einer Influencerin in sozialen Medien einen zur Annahme einer geschäftlichen Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens erforderlichen werblichen Überschuss enthält, ist aufgrund einer umfassenden Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens der Gestaltungsmerkmale (zB gepostete Produktfotos, redaktioneller Kontext, Verlinkung auf Internetseiten von Drittunternehmen) zu beurteilen.

Der Umstand, dass die Influencerin Bilder u.a. gemäß:

mit „Tap Tags“ versehen hat, um die Hersteller der abgebildeten Waren zu bezeichnen, genügt als solcher nicht, um einen werblichen Überschuss der Instagram-Beiträge anzunehmen.

Die Verlinkung der „Tap Tags“ auf eine Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts beinhaltet hingegen regelmäßig einen werblichen Überschuss, auch wenn auf der verlinkten Seite des Herstellers der Erwerb von Produkten nicht unmittelbar möglich ist.

5. Der nach § 5a Abs VI UWG erforderliche Hinweis auf den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung muss so deutlich erfolgen, dass er aus der Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, der zur angesprochenen Gruppe gehört, auf den ersten Blick und zweifelsfrei hervortritt.

Der im Textteil eines in sozialen Medien veröffentlichten Beitrags erscheinende Hinweis auf den kommerziellen Zweck reicht regelmäßig nicht aus, um den kommerziellen Zweck eines auf der neben dem Text angeordneten Abbildung erscheinenden „Tap Tags“ als Werbung zu kennzeichnen.

6. Der kommerzielle Zweck eines in sozialen Medien veröffentlichten werblichen Beitrags einer Influencerin zugunsten eines Drittunternehmens ergibt sich nicht im Sinne des § 5a Abs VI UWG unmittelbar aus dem Umstand, dass die Influencerin nicht nur zu rein privaten Zwecken, sondern auch zugunsten ihres eigenen Unternehmens handelt. Es reicht nicht aus, dass sich für die Adressaten aus den Umständen überhaupt eine kommerzielle Zweckverfolgung ergibt, sondern es muss jeder mit einem Kommunikationsakt verfolgte kommerzielle Zweck erkennbar sein.

7. Das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks eines die Verlinkung auf die Internetseite eines Drittunternehmens enthaltenden „Tap Tags“ ist regelmäßig geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung – das Anklicken des Linkszu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

BGH GRUR 2021, 1414 "Keine Kennzeichnungspflicht von Influencerbeiträgen ohne Gegenleistung - Influencer II"

Das in § 6 Absatz 1 Nummer 1 TMG für kommerzielle Kommunikation in Telemedien sowie u.a. in § 58 Absatz 1 Rundfunkvertrag für Werbung in Telemedien vorgesehene Tatbestandsmerkmal der Gegenleistung gilt nur für werbliche Handlungen zugunsten fremder Unternehmen, nicht aber für Eigenwerbung.
 

Nach § 58 Absatz 1 Rundfunkvertrag muss Werbung als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. Dieses Erfordernis ist auf Werbung in Telemedien anwendbar.

Gemäß § 2 Absatz 2 Nummer 7 Rundfunkvertrag ist Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerkes oder freien Berufs, die im Rundfunk von einem öffentlich-rechtlichen oder einem privaten Veranstalter oder einer natürlichen Person entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet wird, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern.
 
Da die Bekl. für die beanstandeten Instagram-Beiträge, u.a. gemäß:
 

keine Gegenleistungen erhalten hat, stellen sie keine Werbung im vorgenannten Sinne dar und unterliegen nicht dem Erfordernis der Erkennbarkeit.

Diese Entscheidung und die Entscheidung des BGH „Influencer I“ wurde von Schaub GRUR 2021, 1358 kommentiert.

BGH GRUR 2020, 292 "Missbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung durch Kennzeichenrechtsinhaber - Da Vinci"

Den Grundsätzen von Treu und Glauben kann es widersprechen, wenn der Inhaber eines Kennzeichenrechts
 
 
 
 
sich bei der Geltendmachung von Vertragsstrafenansprüchen auf eine nur formale Rechtsstellung beruft. Von einer missbräuchlichen Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung ist auszugehen, wenn ein Markeninhaber
 
(1) eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen anmeldet,
 
(2) hinsichtlich der in Rede stehenden Marken keinen ernsthaften Benutzungswillen hat – vor allem zur Benutzung in einem eigenen Geschäftsbetrieb oder für dritte Unternehmen aufgrund eines bestehenden oder potenziellen konkreten Beratungskonzepts – und
 
(3) die Marken im Wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen.
 
(Fortführung von BGH GRUR 2001, 242 – Classe E)