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BGH GRUR 2024, 1033 "Keine Markenrechtsverletzung bei Vertrieb von Spielzeugmodellautos - VW Bulli"

1. Die Klägerin stellt Kraftfahrzeuge her und vertreibt diese weltweit unter den Marken „Volkswagen“, „VW“ und „VW im Kreis“. Sie ist Inhaberin der am 2.5.2006 angemeldeten und am 12.7.2006 unter der Registernummer 30627911 eingetragenen deutschen dreidimensionalen Marke/Formmarke (Klagemarke), die den VW Bus T1, auch genannt „Bulli“, in fünf Ansichten zeigt:

 

Skizzenhafte Abbildung des VW-Bulli in fünf Ansichten

 

2. Die Beklagte produziert und vertreibt hochpreisige Modellautos, darunter bevorzugt sog. Klassiker (Oldtimer) für Sammler und Werbekunden wie die im Unterlassungsantrag wiedergegebenen Modelle des VW Bus T1 („Bulli“). Der VW Bus T1 wurde erstmals 1950 auf den Markt gebracht und findet sich bis heute im Straßenbild.

Die Beklagte war Lizenznehmerin zunächst der Kl. und später einer 100 %igen Konzerntochter der Kl., der V. Z. GmbH. Unter diesem Lizenzverhältnis vertrieb sie unter ihrer Marke „Premium ClassiXXs“ das folgende Modell eines VW Bus T1:

Abbildung des Modells eines VW Bus T1 seitliche Ansicht

Abbildung des Modells eines VW Bus T1, Ansicht Teil der rechten Seite und der Front

3. Bei der Verbindung einer Formmarke mit weiteren wörtlichen oder bildlichen Kennzeichnungen muss für die Beantwortung der Frage, ob der angesprochene Verkehr darin einen Herkunftshinweis versteht, geprüft werden, ob die Formmarke unter dem Gesichtspunkt der Mehrfachkennzeichnung als eigenständiger betrieblicher Herkunftshinweis aufzufassen ist. Eine solche Mehrfachkennzeichnung stellt nicht zwangsläufig die Wahrnehmung der Form als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren durch den angesprochenen Verkehr infrage (vgl. EuGH 23.1.2019 - C-698/17, GRUR-RS 2019, 330 Rn. 47– Klement/EUIPO (Form eines Ofens)).

4. Dem Tatbestandsmerkmal der Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der bekannten Marke im Sinn von §14 II 3 MarkenG ist die Unlauterkeit außerhalb von „Trittbrettfahrer“-Konstellationen (vgl. dazu EuGH GRUR 2009, 756 – L'Oréal u. a.) nicht bereits immanent. Die Ausnutzung des guten Rufs allein ist auch nach der Rechtsprechung des EuGH noch kein die Unlauterkeit begründender Umstand. Es kommt vielmehr auf den vom nationalen Gericht zu prüfenden konkreten Einzelfall an.

5. Der Vertrieb von Spielzeug- oder Modellautos, bei denen sich jeglicher Zusammenhang mit der (dreidimensionalen) Marke des Herstellers der Kraftfahrzeuge allein aus der spielzeughaft verkleinerten Nachbildung des Originals zwangsläufig wie beiläufig ergibt (vgl. BGH GRUR 2010, 776 – Opel-Blitz II; BGH GRUR 2023, 808 Rn. 25 – DACHSER), ist mit den vom EuGH entschiedenen „Trittbrettfahrer“-Konstellationen, die eine Unlauterkeit der Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der bekannten Marke begründen, nicht vergleichbar.

BGH GRUR 2020, 292 "Missbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung durch Kennzeichenrechtsinhaber - Da Vinci"

Den Grundsätzen von Treu und Glauben kann es widersprechen, wenn der Inhaber eines Kennzeichenrechts
 
 
 
 
sich bei der Geltendmachung von Vertragsstrafenansprüchen auf eine nur formale Rechtsstellung beruft. Von einer missbräuchlichen Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung ist auszugehen, wenn ein Markeninhaber
 
(1) eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen anmeldet,
 
(2) hinsichtlich der in Rede stehenden Marken keinen ernsthaften Benutzungswillen hat – vor allem zur Benutzung in einem eigenen Geschäftsbetrieb oder für dritte Unternehmen aufgrund eines bestehenden oder potenziellen konkreten Beratungskonzepts – und
 
(3) die Marken im Wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen.
 
(Fortführung von BGH GRUR 2001, 242 – Classe E)

BGH GRUR 2019, 1053 "Markenrechtliche Haftung für auch auf Produkte von Drittanbietern verlinkte Google-Anzeigen - ORTLIEB II"

Der Umstand, dass der Wiederverkäufer neben Produkten des Markenherstellers auch Konkurrenzprodukte anbietet, steht einer Verwendung der Marke in der Werbung nicht entgegen, sofern die berechtigten Interessen des Markeninhabers gewahrt bleiben. Wird eine Marke in Anzeigen nach einer Google-Suche aufgrund der konkreten Gestaltung aber irreführend verwendet, so dass Kunden durch die auf diese Weise ausgebeutete Werbewirkung der Marke (auch) zum Angebot von Fremdprodukten geleitet werden, kann sich der Markeninhaber dieser Verwendung der Marke widersetzen (Fortführung von BGH, GRUR 2019, 165 Rndnr. 78 – keine-vorwerk-vertretung).