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OLG Düsseldorf Mitt 2014, 332 "Voraussetzung einer patentrechtlichen einstweiligen Verfügung gegen Generikahersteller - Desogestrel"

1. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung in Patentsachen kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn sowohl die Frage der Patentverletzung als auch der Bestand des Patents so eindeutig zu Gunsten des Antragstellers zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte Entscheidung nicht zu erwarten ist.

2. Von der im Regelfall für die Annahme eines sicheren Rechtsbestandes notwendigen positiven kontradiktorischen Rechtsbestandsentscheidung kann insbesondere im Falle von Verletzungshandlungen von Generikaunternehmen abgesehen werden; in diesem Fall ist ausreichend - aber auch notwendig -, dass das Verletzungsgericht von der Rechtsbeständigkeit des Schutzrechts überzeugt ist.

3. Um ein Verfügungsschutzrecht für ein einstweiliges Verfügungsverfahren tauglich zu machen, bedarf es im Allgemeinen einer positiven Entscheidung der dafür zuständigen, mit technischer Sachkunde ausgestatteten Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanzen. Dass der Angriff auf das Verfügungsschutzrecht nicht evident erfolgversprechend ist, reicht hierfür nicht aus.

Von dem Erfordernis einer dem Antragsteller günstigen kontradiktorischen Rechtsbestandsentscheidung kann allerdings in Sonderfällen abgesehen werden. Sie können - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - vorliegen, wenn

- der Antragsgegner sich bereits mit eigenen Einwendungen am Erteilungsverfahren beteiligt hat, so dass die Patenterteilung sachlich der Entscheidung in einem zweiseitigen Einspruchsverfahren gleichsteht,

- ein Rechtsbestandsverfahren deshalb nicht durchgeführt worden ist, weil das Verfügungsschutzrecht allgemein als schutzfähig anerkannt wird (was sich durch das Vorhandensein namhafter Lizenznehmer oder dergleichen widerspiegelt),

- sich die Einwendungen gegen den Rechtsbestand des Verfügungsschutzrechts schon bei der dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren eigenen summarischen Prüfung als haltlos erweisen oder

- außergewöhnliche Umstände (z.B. mit Rücksicht auf die Marktsituation oder die aus der Schutzrechtsverletzung drohenden Nachteile) gegeben sind, die es für den Antragsteller ausnahmsweise unzumutbar machen, den Ausgang des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten (OLG Düsseldorf, InstGE 12, 114, 121 - Harnkatheterset).

4. Damit Zweifel am Rechtsbestand des Verfügungspatents sich in einer Zurückweisung des Verfügungsantrags niederschlagen können, muss gemäß OLG Düsseldorf "Harnkatheterset" das Verfügungsschutzrecht allerdings rechtzeitig mit einem Einspruch oder einer Nichtigkeitsklage angegriffen werden. Es hilft dem Antragsgegner nichts, im einstweiligen Verfügungsverfahren lediglich Einspruchs- oder Nichtigkeitsgründe aufzuzeigen, die zu einer Vernichtung des Verfügungspatents führen könnten, solange er nicht spätestens bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Verfügungsverfahren tatsächlich beim Deutschen Patent- und Markenamt, beim Europäischen Patentamt oder beim Bundespatentgericht ein Verfahren eröffnet hat, in dem aufgrund dieses Vorbringens ein Widerruf bzw. die Nichtigerklärung des Patents verfügt werden kann.

BGH GRUR 2012, 91 "Nachreichung einer deutschen Übersetzung: Mängelbehebung ist möglich - Polierendpunktbestimmung"

1. Die Rechtsfolge, dass die fremdsprachige Patentanmeldung mangels fristgerechter Nachreichung einer deutschen Übersetzung als nicht erfolgt gilt, tritt nicht ein, wenn der Anmelder innerhalb von drei Monaten nach Einreichung der Anmeldung eine deutsche Übersetzung der Unterlagen nach PatG § 34 Absatz III 1 und 2  sowie in deutscher Sprache Angaben, die jedenfalls dem Anschein nach als Beschreibung der Erfindung anzusehen sind, nachreicht und die Übersetzung von einem Rechtsanwalt oder Patentanwalt beglaubigt oder von einem öffentlich bestellten Übersetzer angefertigt ist. 

2. Die Beglaubigung der Übersetzung erfordert die jedenfalls sinngemäße Erklärung, dass die Übersetzung nach dem besten Wissen des Beglaubigenden eine richtige und vollständige Übertragung der fremdsprachigen Anmeldeunterlagen in die deutsche Sprache darstellt.

3. Sollte die eingereichte Übersetzung unvollständig sein, wäre dies als behebbarer Mangel anzusehen. Die bisherige Amtspraxis des DPMA im Hinblick auf PatG § 35 Absatz II 2, dass die Anmeldung als nicht erfolgt gelte, wird aufgehoben.

BGH GRUR 2007, 313 "Mittelbare Patentverletzung durch Lieferung eines Räderwerks ins Ausland bei Reimport - Ansprüche auf Schadensersatz des Herstellers aber nicht des Zulieferers bei unberechtigter Schutzrechtsverwarnung des Vertreibers - Funkuhr II"

1. Eine mittelbare Patentverletzung kann auch darin liegen, dass Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, ins Ausland geliefert werden, wenn sie dort zur Herstellung eines erfindungsgemäßen Erzeugnisses beitragen sollen, welches zur Lieferung nach Deutschland bestimmt ist.

2. Verwarnt der Patentinhaber unberechtigterweise den Vertreiber eines vermeintlich patentverletzenden Erzeugnisses, stehen dem Hersteller, nicht aber dessen Zulieferern Ansprüche wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung zu. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Zulieferer als mittelbarer Verletzer in Betracht käme, wenn durch den Vertrieb des Erzeugnisses das Patent verletzt würde (Fortführung von BGH, GRUR 1977, 805 - Klarsichtverpackung).

Der Zulieferer (also Komponenten- oder Teillieferant) eines Verwarnten muss die wirtschaftlichen Nachteile der Entscheidung des Verwarnten, sich einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung zu beugen, hinnehmen.

Dies gilt nicht für den Komplettlieferanten einer beanstandeten Ware eines Verwarnten, also insbesondere einen Zwischenhändler oder einen Hersteller, der an einen Abnehmer oder Endhändler ein fertig konfektioniertes und originalverpacktes Endprodukt (z.B. Kosmetika) liefert.

Ein derartiger Komplettlieferant oder ein reiner Weiterverkäufer besitzt Ansprüche wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung gegenüber dem Verwarner (BGH, GRUR 2006, 433 - Unbegründete Abnehmerverwarnung wegen angeblicher Markenverletzung, in Fortführung von BGH, GRUR 2005, 882 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung).