Aktuelle Beiträge

BGH GRUR 2020, 110 "Beteiligung eines Einsprechenden als notwendiger Streitgenosse im Einspruchsbeschwerdeverfahren - Karusselltüranlage"

§62 ZPO findet im Einspruchsbeschwerdeverfahren entsprechende Anwendung.
 
Nach §99 PatG finden auf das Verfahren vor dem Patentgericht ergänzend die Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der ZPO entsprechend Anwendung, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.
 
Nach der Rechtsprechung des BGH findet §62 ZPO im Patentnichtigkeitsverfahren entsprechende Anwendung.
 
Zum Tragen kommt dies insbesondere dann, wenn bei einer beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents durch das Urteil erster Instanz einer von mehreren Nichtigkeitsklägern kein Rechtsmittel einlegt – weil er etwa zu der Einschätzung gelangt ist, die von ihm vertriebene Ausführungsform falle nicht in den Schutzbereich des beschränkt aufrechterhaltenen Patents –, ein anderer Kl. dagegen Berufung einlegt und der Patentinhaber sodann Anschlussberufung erhebt. Wäre ein Nichtigkeitskläger, der nicht selbst ein Rechtsmittel einlegt, unter diesen Umständen nicht am Berufungsverfahren beteiligt, liefe er Gefahr, die ihm günstige Rechtsposition, die er durch die Entscheidung erster Instanz erlangt hat, zu verlieren, ohne hierauf Einfluss nehmen zu können. Anders als einem Dritten, der sich durch den Schutzumfang des Patents in seinen Handlungsmöglichkeiten beeinträchtigt sieht, aber bislang keine Nichtigkeitsklage erhoben hat, wäre es ihm bei ungünstigem Ausgang des Verfahrens zudem durch die Rechtskraft der Entscheidung verwehrt, das Streitpatent (erneut) anzugreifen.

OLG Düsseldorf GRUR 2018, 814 "Sachlicher Umfang eines Vorbenutzungsrechts - Schutzverkleidung für funktechnische Anlagen"

1. Veränderungen an einer vorbenutzten Ausführungsform, die sich innerhalb einer wortsinngemäßen Verwirklichung des Patentanspruchs bewegen, sind von einem Vorbenutzungsrecht gemäß §12 PatG umfasst, wenn die Abwandlung in Kenntnis der Ausführungsform und vor Offenbarung des Patents, dem gegenüber das Vorbenutzungsrecht geltend gemacht wird, für den Fachmann ohne schöpferische Tätigkeit auffindbar waren.

2. Es liegt bei einem Vorrichtungsanspruch eine unmittelbare Vorbenutzungshandlung vor und ist daher vom Vorbenutzungsrecht gedeckt, wenn der Vorbenutzer, der im Rahmen der Vorbenutzung sämtliche Bestandteile für eine Vorrichtung an einen Dritten lieferte, dazu übergeht, die Vorrichtung selbst herzustellen, sofern das vormalige Zusammenfügen beim Abnehmer zur geschützten Gesamtvorrichtung sicher vorhersehbar und einfach zu bewerkstelligen war.

3. Die Lieferung von Gegenständen an einen Dritten zur Durchführung eines patentgeschützten Verfahrens, dem gegenüber das Vorbenutzungsrecht geltend gemacht wird, ist grundsätzlich eine mittelbare Vorbenutzungshandlung. Der mittelbare Vorbenutzer darf regelmäßig nicht zu einer unmittelbaren Benutzung übergehen. Ausnahmsweise ist er zu einer unmittelbaren Benutzung befugt, wenn er vormals sämtliche Bestandteile zur Ausführung des Verfahrens geliefert hat und die gelieferten Mittel technisch und wirtschaftlich sinnvoll überhaupt nur patentgemäß eingesetzt werden konnten. Liegen diese Voraussetzungen vor, darf der mittelbare Vorbenutzer sowohl seinen bisherigen Abnehmern als auch beliebigen Dritten das Mittel anbieten und sie beliefern, wobei sämtliche Abnehmer zur unmittelbaren Benutzung der Erfindung berechtigt sind. Darüber hinaus ist er unter diesen Voraussetzungen berechtigt, das patentgeschützte Verfahren selbst anzuwenden.

BPatG GRUR 2018, 803 "Berechnung der Zwangslizenzgebühr - Isentress II"

1. Da es sich bei der Bemessung der Lizenzgebühr für eine Zwangslizenz anbietet, sich an derjenigen Lizenzgebühr zu orientieren, die unter den Umständen des jeweiligen Einzelfalls in einem Lizenzvertrag vereinbart würde (vgl. BGH, GRUR 2017, 1017 Rn 28 – Raltegravir), können bei einer solchen fiktiven Vereinbarung neben dem im jeweiligen Produktbereich üblichen Lizenzgebührenrahmen auch Umstände berücksichtigt werden wie ein im Einzelfall bestehendes besonderes Drohpotenzial des Patents, ebenso weitere Faktoren wie etwa der Beitrag des Wirkstoffpatents zur Entwicklung des von der Zwangslizenz erfassten pharmazeutischen Wirkstoffs oder die Mitbenutzung eigener Schutzrechte des Lizenznehmers. Diese wirken sich – je nachdem – erhöhend oder erniedrigend auf die Lizenzgebührenhöhe aus.

2. Bei der im Rahmen der Bemessung der Lizenzhöhe unter Umständen vorzunehmenden Beurteilung des Beitrags, den das Patent zur Entwicklung des durch die Zwangslizenz erlaubten Vertriebs eines Arzneimittelwirkstoffs leistet, ist danach zu fragen, welche Weiterentwicklung ausgehend vom Offenbarungsgehalt des Patents (fiktiv) noch zu leisten ist, um zum lizenzierten Wirkstoff zu gelangen. Hierbei sind etwaiger weiterer Stand der Technik, ebenso wie etwaige Eigenentwicklungen des Lizenznehmers nicht zu berücksichtigen.

3. Zu den Faktoren, die sich bei einer Zwangslizenz erhöhend für die Lizenzgebühr auswirken, können etwa die fortbestehende Angreifbarkeit des Patents und die erzwungene Hilfe für ein Konkurrenzunternehmen gehören, weniger hingegen der Entfall typischer Nebenpflichten in vertraglichen Lizenzvereinbarungen oder die in § 24 Absatz VI PatG vorgesehenen Möglichkeiten der Anpassung oder der Rücknahme oder Anpassung der Zwangslizenz.

4. Die Festsetzung der Höhe der Lizenzgebühr für eine Zwangslizenz kann im Wege der Schätzung (§ 287 Absatz I und II ZPO iVm § 99 Absatz I PatG) unter Berücksichtigung der zur Bemessung der Lizenzhöhe entwickelten Grundsätze und der von den Parteien dazu vorgetragenen Anhaltspunkte erfolgen.

Anmerkung zur BPatG-Entscheidung "Isenstress I" (GRUR 2017, 373) von Stierle, GRUR 2017, 383.