Aktuelle Beiträge

BGH GRUR 2018, 216 "Berechtigte Einsprechende im Einspruchsverfahren - Ratschenschlüssel"

Einem Einspruchsverfahren kann als Einsprechender auch derjenige Dritte beitreten, gegen den der Patentinhaber wegen Verletzung des Patents den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt hat.
 
Nach konkreter Fromulierung von PatG §59 II kann, wenn gegen ein Patent Einspruch erhoben worden ist, jeder Dritte dem Einspruchsverfahren nach Ablauf der Einspruchsfrist als Einsprechender beitreten, der nachweist, dass gegen ihn Klage wegen Verletzung des Patents erhoben worden ist, sofern er den Beitritt innerhalb von drei Monaten nach dem Tag erklärt, an dem die Verletzungsklage erhoben worden ist. Das gleiche gilt für jeden Dritten, der nachweist, dass er nach einer Aufforderung des Patentinhabers, eine angebliche Patentverletzung zu unterlassen, gegen diesen Klage auf Feststellung erhoben hat, dass er das Patent nicht verletze.
 
Durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist - neben den beiden Fallgruppen gemäß PatG §59 II - vom Patentinhaber auch der Bereich des bloßen außergerichtlichen Verfahrens  verlassen worden.
 

EPA G1/16 vom 18.12.2017 (nicht in AB veröff.) – Disclaimer III

Die Große Beschwerdekammer des EPA behält die unterschiedlichen Art. 123(2) EPÜ-Testkriterien zu „nicht offenbarten“ (G 1/03 und G 2/03) vs. „offenbarten“ (G 2/10) Disclaimern bei.
 
In der Rechtsprechung des Europäischen Patentamts wird weiter zwischen „offenbarten Disclaimern“ und „nicht offenbarten Disclaimer“ unterschieden.
 
Ein „nicht-offenbarter Disclaimer“ liegt vor, wenn weder der Disclaimer selbst, noch der durch den Disclaimer ausgeschlossene Gegenstand in der Patentanmeldung offenbart ist. Im Gegensatz hierzu ist der „offenbarte Disclaimer“, zwar auch nicht als Disclaimer in der Patentanmeldung offenbart, jedoch ein durch den Disclaimer ausgeschlossener Gegenstand (z.B. eine ursprüngliche Ausführungsform der Erfindung, die nachträglich bewusst als nicht mehr zur beanspruchten Erfindung gehörend ausgeschlossen wurde).

Ob nun ein in den Patentanspruch aufgenommener „nicht-offenbarter Disclaimer“ als vorschriftmäßig gemäß Artikel 123(2) EPÜ anzusehen ist, ist weiter anhand der von der Großen Beschwerdekammer in G 1/03 und G 2/03 aufgestellten Kriterien zu entscheiden.

Oftmals wurde die zu „offenbarten Disclaimern“ ergangene Entscheidung G 2/10 in der jüngeren Rechtsprechung des EPA von einigen Beschwerdekammern zum Teil dahingehend (über-)interpretiert, dass kein Raum mehr für „nicht-offenbarte Disclaimer“ gemäß den Kriterien von G1/03 und G2/03 verblieb.

Die Große Beschwerdekammer stellt nun mit dieser Entscheidung G1/16 klar, dass in Bezug auf Artikel 123(2) EPÜ für „nicht-offenbarte Disclaimer“ weiterhin allein die in G1/02 und G2/03 und für „offenbarte Disclaimer“ die in G2/10 aufgestellten Kriterien zu gelten haben.

OLG Düsseldorf GRUR 2017, 1219 "Prozessuale Einbindung des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands - Mobiles Kommunikationssystem"

1. Ein standardessenzielles Patent („SEP“) führt nur dann zu einer marktbeherrschenden Stellung, wenn es im Einzelfall geradezu eine Marktzutrittsvoraussetzung begründet.

Mit der bloßen Inhaberschaft von Patenten allein ist anerkanntermaßen noch keine marktbeherrschende Stellung verbunden. Erhält der Patentinhaber allerdings aufgrund hinzutretender Umstände die Möglichkeit, mittels seiner Monopolstellung wirksamen Wettbewerb auf einem nachgelagerten Markt zu verhindern, so liegt eine marktbeherrschende Stellung vor.

Auch ein SEP als solches begründet noch keine hinreichende Bedingung für eine Marktbeherrschung. Auf die Standardessenzialität allein kann nicht einmal eine (widerlegliche) Vermutung gestützt werden, dass der SEP-Inhaber wirksamen Wettbewerb gerade deshalb verhindern kann, weil das SEP aufgrund der Standardessenzialität benutzt werden muss, um mit dem Standard kompatible Produkte erzeugen zu können (a.a.O. Rdnr. 129) 

Es bedarf daher in Bezug auf jedes einzelne Patent der auf die Umstände des Einzelfalls abstellenden Beurteilung seiner wettbewerblichen Bedeutung für den nachgelagerten Produktmarkt.

Darlegungs- und beweisbelastet für die Voraussetzungen der Marktbeherrschung ist der Lizenzersuchende.

2. Die Lizenzbereitschaftserklärung des Benutzers eines standardessenziellen Patents kann bis zur Klageerhebung nachgeholt werden.

3. Die durch den Gerichtshof der Europäischen Union für standardessenzielle, unter AEUV Art. 102 fallende Patente vorgegebenen wechselbezüglichen Pflichten/Obliegenheiten gemäß der EuGH-Entscheidung „Huawei Technologies/ZTE“ sind grundsätzlich durch das Verletzungsgericht konsekutiv festzustellen. Der Patentverletzer hat nur dann in der ihm obliegenden Art und Weise zu reagieren, wenn zuvor der SEP-Inhaber seine Pflichten erfüllt hat.

4. Das Verletzungsgericht kann die Prüfung des Angebots des SEP-Inhaber nicht auf eine „negative Evidenzkontrolle“ beschränken, vielmehr muss es tatrichterlich feststellen, ob das Angebot den FRAND-Vorgaben entspricht.

(Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen und eingelegt)

Anmerkung: einen Überblick über die Rechtsprechung der Instanzgerichte nach der EuGH-Entscheidung „Huawei Technologies/ZTE“ geben Block, GRUR 2017, 121 sowie Kellenter / Verhauwen, GRUR 2018, 761.