Aktuelle Beiträge

BGH GRUR 2023, 39 "Veranlassung zur Heranziehung der Kenntnis eines technischen Sachverhalts - Leuchtdiode"

1. Das Beschreiten eines bestimmten Lösungswegs lag für den Fachmann nahe, wenn er eine Entgegenhaltung zur Lösung eines technischen Problems (Aufwachsen von GaN-Schichten auf einem Saphirsubstrat zur Herstellung einer Leuchtdiode) herangezogen und diese ihm eine Möglichkeit aufgezeigt hätte, wie das Problem mit angemessener Erfolgserwartung gelöst werden kann (Aufwachsen in (0001)-Richtung mittels metallorganisch chemischer Dampfabscheidung (MOCDV)), insbesondere wenn es sich bei dieser Lösung allgemein um die vorherrschende Praxis (bei GaN-Halbleitern) handelte und alternative Ansätze keine signifikant höheren Erfolgsaussichten begründeten.

2. Der Umstand, dass die Kenntnis eines technischen Sachverhalts zum allgemeinen Fachwissen gehört, belegt noch nicht, dass es für den Fachmann nahelag, sich bei der Lösung eines bestimmten Problems dieser Kenntnis zu bedienen (Bestätigung von BGH GRUR 2018, 716 Rn. 28 – Kinderbett; BGH GRUR 2009, 743 Rn. 37 – Airbag-Auslösesteuerung).

BGH GRUR 2022, 59 "Auffindbarkeit eines elektronischen Dokuments im Internet über Verzeichnis für fachbezogene Veröffentlichungen - Diskontinuierliche Funkverbindung"

1. Bei einer streitgenössischen Nebenintervention im Sinne von § 69 ZPO ist die Zulässigkeit der von einer Partei und ihrem Streithelfer eingelegten Rechtsmittel grundsätzlich gesondert zu beurteilen.

2. Ein elektronisches Dokument, das im Internet auf einem ftp-Server vorgehalten wird, ist jedenfalls dann der Öffentlichkeit zugänglich, wenn es über ein Verzeichnis aufgerufen werden kann, das der Öffentlichkeit als Speicherort für fachbezogene Veröffentlichungen bekannt ist und als Informationsquelle zur Verfügung steht.

BGH GRUR 2020, 110 "Beteiligung eines Einsprechenden als notwendiger Streitgenosse im Einspruchsbeschwerdeverfahren - Karusselltüranlage"

§62 ZPO findet im Einspruchsbeschwerdeverfahren entsprechende Anwendung.
 
Nach §99 PatG finden auf das Verfahren vor dem Patentgericht ergänzend die Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der ZPO entsprechend Anwendung, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.
 
Nach der Rechtsprechung des BGH findet §62 ZPO im Patentnichtigkeitsverfahren entsprechende Anwendung.
 
Zum Tragen kommt dies insbesondere dann, wenn bei einer beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents durch das Urteil erster Instanz einer von mehreren Nichtigkeitsklägern kein Rechtsmittel einlegt – weil er etwa zu der Einschätzung gelangt ist, die von ihm vertriebene Ausführungsform falle nicht in den Schutzbereich des beschränkt aufrechterhaltenen Patents –, ein anderer Kl. dagegen Berufung einlegt und der Patentinhaber sodann Anschlussberufung erhebt. Wäre ein Nichtigkeitskläger, der nicht selbst ein Rechtsmittel einlegt, unter diesen Umständen nicht am Berufungsverfahren beteiligt, liefe er Gefahr, die ihm günstige Rechtsposition, die er durch die Entscheidung erster Instanz erlangt hat, zu verlieren, ohne hierauf Einfluss nehmen zu können. Anders als einem Dritten, der sich durch den Schutzumfang des Patents in seinen Handlungsmöglichkeiten beeinträchtigt sieht, aber bislang keine Nichtigkeitsklage erhoben hat, wäre es ihm bei ungünstigem Ausgang des Verfahrens zudem durch die Rechtskraft der Entscheidung verwehrt, das Streitpatent (erneut) anzugreifen.