Aktuelle Beiträge

BGH GRUR 2015, 983 "Patentschutzzugänglichkeit von mathematischen Methoden - Flugzeugzustand"

1. Mathematische Methoden sind im Hinblick auf PatG § 1 Absatz III Nr. 1 nur dann patentierbar, wenn sie der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen.

2. Ein ausreichender Bezug zur gezielten Anwendung von Naturkräften liegt (wie im vorliegenden Fall) vor, wenn eine mathematische Methode zu dem Zweck herangezogen wird, anhand von zur Verfügung stehenden Messwerten zuverlässigere Erkenntnisse über den Zustand eines Flugzeugs zu gewinnen und damit die Funktionsweise des Systems, das der Ermittlung dieses Zustands dient, zu beeinflussen.

3. Nach der Rechtsprechung des Senats und der Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern des EPA dürfen bei der Prüfung, ob der Gegenstand einer Anmeldung auf erfinderischer Tätigkeit beruht, nur diejenigen Anweisungen berücksichtigt werden, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH, GRUR 2013, 275 Rn. 41 – Routenplanung; EPA, Stellungnahme v. 12.5.2010 – G 3/08, ABl. 2011, 10 Rn. 10.33 ff. = GRUR Int 2010, 608 – Computerprogramme).

4. Merkmale, die eine mathematische Methode betreffen, können nicht automatisch als nicht-technisch angesehen werden, wenn sie (wie hier) im Zusammenhang mit der beanspruchten Lehre einen Bezug zur gezielten Anwendung von Naturkräften aufweist.

5. Ein Gegenstand, der neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht, kann nicht allein deshalb als nicht patentfähig angesehen werden, weil er im Vergleich zum Stand der Technik keinen erkennbaren Vorteil bietet. Ein solcher Gegenstand ist vielmehr jedenfalls dann patentfähig, wenn mit ihm im Vergleich zum Stand der Technik ein anderer Weg aufgezeigt wird.

BGH GRUR 2015, 972 "Unabhängigkeit des Verletzungsgerichts bei Auslegung des Klagepatents - Kreuzgestänge"

1. Das Verletzungsgericht hat das Klagepatent selbstständig auszulegen und ist weder rechtlich noch tatsächlich an die Auslegung durch den Bundesgerichtshof in einem das Klagepatent betreffenden Patentnichtigkeitsverfahren gebunden.

2. Werden in der Beschreibung eines Patents mehrere Ausführungsbeispiele als erfindungsgemäß vorgestellt, sind die im Patentanspruch verwendeten Begriffe im Zweifel so zu verstehen, dass sämtliche Beispiele zu ihrer Ausfüllung herangezogen werden können. Nur wenn und soweit sich die Lehre des Patentanspruchs mit der Beschreibung und den Zeichnungen nicht in Einklang bringen lässt und ein unauflösbarer Widerspruch verbleibt, dürfen diejenigen Bestandteile der Beschreibung, die im Patentanspruch keinen Niederschlag gefunden haben, nicht zur Bestimmung des Gegenstands des Patents herangezogen werden.

BGH GRUR 2015, 875 "Fehlerkorrektur des Anspruchswortlauts - Rotorelemente"

1. Der Prüfung einer unzulässigen Erweiterung muss die Ermittlung des Sinngehalts des hierauf zu überprüfenden Patentanspruchs vorausgehen.

2. Bei der Ermittlung des Sinngehalts eines Patentanspruchs ist auch ein für sich genommen eindeutiger Wortlaut nicht ausschlaggebend, wenn die Auslegung des Anspruchs unter Heranziehung der Beschreibung und der weiteren Patentansprüche ergibt, dass zwei im Patentanspruch verwendete Begriffe gegeneinander auszutauschen sind.

Dies bedeutet, dass der Wortlaut eines Patentanpruchs bei der Schutzbereichsbestimmung qua Auslegung in Zusammenschau mit der Beschreibung und den Zeichnungen ggf. zur Korrektur sogar geändert und ausnahmsweise in sein Gegenteil verkehrt werden kann, wenn der Patentanspruch z.B. fehlerhaft formuliert wurde oder eine offensichtliche Vertauschung von Begriffen vorliegt, die durch anderweitige ganzheitliche Auslegung der Patentunterlagen nicht behebbar ist.