Aktuelle Beiträge
BGH GRUR 2018, 216 "Berechtigte Einsprechende im Einspruchsverfahren - Ratschenschlüssel"
BGH GRUR 2017, 1105 "Zulässige Erweiterung bei Aufnahme eines Disclaimers - Phosphatidylcholin"
1. Eine Patentanmeldung ist zurückzuweisen, wenn der Gegenstand des Anspruchs, den der Anmelder zur Prüfung stellt, über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht und dieser Mangel nach Aufforderung durch die Prüfungsstelle vom Anmelder nicht behoben wird (Fortführung von BGH GRUR 1975, 311 - Regelventil).
2. Die Aufnahme eines Merkmals, wonach eine beanspruchte Zubereitung eine bestimmte Substanz nicht enthalten darf (hier: geänderte und vom Patentamt im Erteilungsverfahren beanstandete Fassung von Anspruch 1 mit dem Disclaimer, wonach "die Zubereitungen frei von Phosphatidylcholin" seien) stellt nicht ohne Weiteres eine unzulässige Erweiterung dar (Abgrenzung zu BGH GRUR 2011, 1109 – Reifenabdichtmittel).
In der vorliegenden Entscheidung lässt der BGH es nun für eine ausreichende Offenbarung genügen, dass Phosphatidylcholin als möglicher Bestandteil der Zubereitung offenbart und nicht etwa ausgeschlossen werde und aus den Anmeldungsunterlagen nicht hervorgehe, dass dieser Bestandteil notwendig oder gar vorteilhaft für die Zubereitung wäre.
Eine weitere Bestätigung für eine ausreichende Offenbarung wird vom BGH ferner darin gesehen, dass die in der Beschreibung genannten Beispielformulierungen kein Phosphatidylcholin enthielten.
Da auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden wären, dass mit der durch den Disclaimer "Zubereitungen frei von Phosphatidylcholin" bewirkte Beschränkung eine zusätzliche technische Wirkung einhergehe oder der Fachmann neue technische Informationen erhalte, verneint der BGH eine unzulässige Erweiterung.
Die vorliegende BGH-Entscheidung „Phosphatidylcholin“ kann somit als Annäherung an die Disclaimer-Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer des EPA (G 2/10) angesehen werden.
BGH GRUR 2017, 785 "Haftung eines im Ausland ansässigen Lieferanten - Abdichtsystem"
1. Die in PatG § 140a III 1 vorgesehenen Ansprüche auf Rückruf und auf endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen können nebeneinander geltend gemacht werden.
2. Ein Anspruch auf Rückruf aus den Vertriebswegen ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Verpflichtete im Ausland ansässig ist.
3. Ein im Ausland ansässiger Lieferant eines im Inland patentgeschützten Erzeugnisses, der einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer beliefert, ist nicht ohne Weiteres verpflichtet, die weitere Verwendung der gelieferten Ware durch den Abnehmer zu überprüfen oder zu überwachen.
4. Der Lieferant ist in der genannten Lage zu einer Überprüfung des Sachverhalts verpflichtet, wenn für ihn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es als naheliegend erscheinen lassen, dass seine Abnehmer die gelieferte Ware ins Inland weiterliefern oder dort anbieten. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Lieferant von einer tatsächlich erfolgten oder konkret bevorstehenden Weiterlieferung Kenntnis erhalten hat.
5. Die pflichtwidrige und schuldhafte Ermöglichung oder Förderung einer fremden Patentverletzung (sog. "Zurechnung eines Mitverursachungsbeitrags") kann Ansprüche aus PatG §§ 139 ff nur dann begründen, wenn es zu einer Patentverletzung durch den Dritten gekommen ist oder wenn zumindest Erstbegehungsgefahr besteht (Bestätigung von BGH, GRUR 1964, 496 – Formsand II).
6. Die pflichtwidrige und schuldhafte Förderung oder Ermöglichung einer fremden Patentverletzung begründet nicht ohne Weiteres einen uneingeschränkten Anspruch auf Unterlassung von Handlungen, die für sich gesehen noch keine Patentverletzung darstellen.
7. Sofern ein Abnehmer zumindest eine Verletzungshandlung begangen hat, ist der Lieferant, der dies pflichtwidrig und schuldhaft mitverursacht hat, grundsätzlich verpflichtet, über alle Lieferungen an diesen Abnehmer Rechnung zu legen.
8. Im Allgemeinen ist gemäß ständiger Rechtsprechung (u.a. BGH, GRUR 2007, 773 "Rohrschweißverfahren" und OLG Düsseldorf, Mitt. 2010, 237 "Prepaid-Telefonkarten") das Anwenden eines patentgeschützten Verfahrens zu bejahen, wenn eine von mehreren notwendigen Maßnahmen im Inland vorgenommen wird und die im Ausland vorgenommenen weiteren Teilakte dem im Inland Handelnden zur Herbeiführung eines Verletzungserfolgs im Inland zurechenbar sind.
(vgl. auch Steininger, Steffen GRUR 2017, 875 "Verletzung in Deutschland gültiger Patente durch Handlungen im Ausland" - zugleich Besprechung von BGH „Abdichtsystem“ sowie Rektorschek, Jan Phillip Mitt. 2017, 438 "Industrie 4.0 und künstliche Intelligenz - Risiko oder Chance für den gewerblichen Rechtsschutz?" zur Thematik "Grenzüberschreitende Verletzung und mehraktige Handlungen" im Zusammenhang mit internetgestützten Technologien wie nicht im Inland betriebenen Servern oder Cloud-Diensten, 3D-Druckern, multi-territorial vernetzten Fertigungsstätten o.ä.)