Aktuelle Beiträge

BGH GRUR 2017, 504 "Nachreichen einer formgerechten Erfindungsmeldung nach Patentanmeldung - Lichtschutzfolie"

1. Für Erfindungen, die - wie im vorliegenden Fall - vor dem 1.10.2009 gemeldet wurden, ist das Schriftformerfordernis des § 5 ArbnErfG aF weiterhin maßgeblich.

2. Wenn der Arbeitgeber eine nicht in Schriftform gemeldete Diensterfindung mit dem Inhalt der von seinem Arbeitnehmer entwickelten technischen Lehre zum Patent anmeldet und dabei alle an der Entwicklung beteiligten Erfinder benennt, liegt darin in der Regel auch dann eine zuverlässige Grundlage für den Beginn der in § 6 II 2 ArbnErfG aF normierten Frist, wenn der Arbeitnehmer nach der Einreichung der Patentanmeldung eine formgerechte Erfindungsmeldung nachreicht.

3. Meldet ein Arbeitnehmer eine Erfindung, die im Verhältnis zu einer früher gemeldeten, vom Arbeitgeber nicht in Anspruch genommenen Erfindung lediglich eine schöpferische Weiterentwicklung darstellt, die zwar für die wirtschaftliche Verwertung der Erfindung bedeutsam, aber nicht selbstständig schutzfähig ist, erlangt der Arbeitgeber, der den Gegenstand der zweiten Meldung in Anspruch nimmt und zusammen mit dem Gegenstand der ersten Meldung zum Patent anmeldet, am Gegenstand der Anmeldung und der daraus hervorgehenden Schutzrechte eine Mitberechtigung.

4. Eine Benutzungsregelung, die einem der Mitberechtigten die Nutzung der gemeinsamen Erfindung verbietet, kann allenfalls unter besonderen Voraussetzungen einer ordnungsmäßigen Verwaltung und Benutzung entsprechen.

Gehen Rechte an einer durch ein technisches Schutzrecht geschützten Diensterfindung, die vor dem 1.10.2009 gemeldet wurde, weder durch ordnungsgemäße Inanspruchnahme noch durch eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitnehmererfinder und dem Arbeitgeber auf diesen über, haftet der die geschützte Erfindung benutzende Arbeitgeber jedenfalls nach Bereicherungsrecht (BGH GRUR 2006, 754 "Haftetikett").

Für ab dem 1.10.2009 gemeldete Erfindungen gilt eine Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber als erfolgt, wenn dieser die gemeldete Erfindung nicht ausdrücklich freigibt ("Inanspruchnahmefiktion" gem. § 6 ArbnErfG nF). Das unfreiwillige "Freiwerden" von Teilen eines Patentportfolios eines Arbeitgebers (i.e. die Wiedererlangung von Verfügungsbefugnissen an Schutzrechten durch den/die Arbeitnehmererfinder) wegen im Nachhinein bekannt gewordener nicht erfolgter Inanspruchnahme kann somit - wie im vorliegenden Fall - nur vor dem 1.10.2009 gemeldete Erfindungen betreffen.

BGH GRUR 2017, 428 "Subsidiarität der Restitutionsklage bei Klagepatenteinschränkung - Vakuumtransportsystem"

1. Die Revision gegen ein auf Patentverletzung erkennendes Berufungsurteil ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, wenn das Patent ganz oder teilweise rechtskräftig für nichtig erklärt wird und dies dem Berufungsurteil die Grundlage entzieht. Der Zulassungsgrund muss – gegebenenfalls auch innerhalb der Frist zur Wiedereinsetzung in eine insoweit versäumte Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) – geltend gemacht werden (Fortführung von BGH GRUR 2004, 710 – Druckmaschinen-Temperierungssystem und BGH GRUR 2010, 858 – Crimpwerkzeug III).

2. Die Partei kann den Wegfall der Urteilsgrundlage nicht im Wege einer Restitutionsklage nach ZPO § 582 geltend machen, wenn sie es schuldhaft unterlassen hat, den Restitutionsgrund zum Gegenstand einer NZB der Revision im Verletzungsurteil zu machen. Ggf. muss die Partei auch eine Wiedereinsetzung in eine bereits abgelaufene Frist zur Begründung einer Beschwerde eines wegen des noch anhängigen Nichtigkeitsverfahren ausgesetzten und damit noch anhängigen NZB-Verfahrens beantragen und kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass die (Teil-)Vernichtung des Klagepatents von Amts wegen berücksichtigt wird. Erst bei endgültiger Zurückweisung der NZB kann dann eine Restitutionsklage eingereicht werden.

BGH GRUR 2017, 208 "Umfassende Pflicht zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands - Rückruf von RESCUE-Produkten"

1. Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde (hier: wettbewerbsrechtliche Beanstandung von über Apotheken vertriebenen Produkten mit der Bezeichnung „RESCUE-TROPFEN“), ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst. Dies kann die Verpflichtung beinhalten, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken, soweit dies zur Beseitigung des Störungszustands erforderlich ist. Danach muss ein Schuldner, dem der Vertrieb eines Produkts untersagt worden ist, grundsätzlich durch einen Rückruf des Produkts dafür sorgen, dass bereits ausgelieferte Produkte von seinen Abnehmern nicht weiter vertrieben werden.

2. Die Klärung der Frage, welche Maßnahmen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands geboten sind, kann dem Vollstreckungsverfahren überlassen bleiben, wenn der Schuldner nicht bereits im Erkenntnisverfahren geltend macht, dass ihm die zur Beseitigung des Störungszustands nach Lage der Dinge erforderlichen Handlungen unmöglich oder unzumutbar sind.

Die Verlagerung von Beseitigungspflichten in den Unterlassungsanspruch führt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu einer Vorwegnahme der Hauptsache und als Kehrseite hierzu zu einer potenziellen Ausweitung der Schadensersatzpflicht des Antragstellers nach § 945 ZPO.

In Umsetzung der "Enforcement-Richtlinie" (europäische Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums) in deutsches Recht wurden für die einzelnen Schutzrechte des geistigen Eigentums (Patent, Gebrauchsmuster, Marke, Design etc.) zusätzlich zum allgemeinen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch Normen geschaffen, in denen konkretisiert Ansprüche auf Vernichtung/Überlassung an den Verletzten, Rückruf und endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen geregelt werden (siehe § 140a PatG; § 24a GebrMG, § 43 DesignG; § 98 UrhG; § SortG; § 9 II HalblSchG; §§ 18, 135 MarkenG).