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BGH GRUR 2016, 921 "Keine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln bei nicht in Patentanspruch aufgenommener Lösungsvariante - Pemetrexed"
1. Eine Patentverletzung mit äquivalenten (also vom Wortsinn abweichenden aber gleichwirkenden, naheliegenden und ergebnisgleichwertigen) Mitteln ist in der Regel zu verneinen, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten (also genannte aber nicht beanspruchte Austauschmittel) offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist (Konkretisierung von BGH GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung (u.a. zum Verzichtssachverhalt) und BGH GRUR 2012, 45, Rdn 44 – Diglycidverbindung).
2. Eine äquivalente Patentverletzung ist jedoch nicht bereits deshalb zu verneinen, wenn sich eine vom Patent beanspruchte Ausführungsform aufgrund von Angaben in der Beschreibung oder aus sonstigen Gründen zwar nur als spezieller Anwendungsfall eines allgemeineren Lösungsprinzips darstellt, der Fachmann jedoch auf Grund dieser Erkenntnis in der Lage war, weitere diesem Lösungsprinzip entsprechende Ausführungsformen aufzufinden, die jedoch nicht als offenbart oder vom Fachmann mitlesbar ansehbar sind. Dies gilt aber nur, wenn der beanspruchten Ausführungsform nach der Beschreibung auch keine besonderen Eigenschaften zukommen, die für die Verwirklichung der erfindungsgemäßen Funktion von Bedeutung sind.
3. Hierzu der Senat in Rdn. 60, 61 der Entscheidung:
"Entgegen der Auffassung des BerGer. kann der in der Entscheidung „Okklusionsvorrichtung“ entwickelte Grundsatz nicht schon dann auf die Konstellation des Streitfalls übertragen werden, wenn die Verwendung von Pemetrexeddikalium anstelle von Pemetrexeddinatrium durch die Klagepatentschrift nahegelegt ist. Wie ... bereits dargelegt wurde, beruht der genannte Grundsatz zwar auf der allgemeineren Erwägung, dass eine Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents ausgeschlossen ist, wenn sie offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar ist, der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht unter Schutz gestellt werden sollte. Den Grundsatz selbst hat der Senat aber, wie die Revision zutreffend aufzeigt, nur für die Konstellation aufgestellt, dass die Patentschrift selbst mehrere mögliche Ausführungsformen offenbart. Eine Erweiterung auf Ausführungsformen, die auf Grund der Angaben in der Patentschrift auffindbar waren, führte hingegen schon deshalb zu weit, weil die Auffindbarkeit eine Grundvoraussetzung für die Bejahung von Äquivalenz ist und der Einsatz abgewandelter Mittel (somit sonst) folglich niemals zu einer (äquivalenten) Patentverletzung führen könnte."
Es bleibt bei Fragen der Auslegung von Widersprüchen zwischen Patentanspruch und Beschreibung bei Beurteilung des Vorliegens einer äquivalenten Patentverletzung bei den Leitsätzen des Senats gemäß "Okklusionsvorrichtung" (BGH GRUR 2011, 701):
1. Bei Widersprüchen zwischen den Patentansprüchen und der Beschreibung sind solche Bestandteile der Beschreibung, die in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden haben, grundsätzlich nicht in den Patentschutz einbezogen. Die Beschreibung darf nur insoweit berücksichtigt werden, als sie sich als Erläuterung des Gegenstands des Patentanspruchs lesen lässt.
2. Offenbart die Beschreibung mehrere Möglichkeiten, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, ist jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden, begründet die Benutzung einer der übrigen Möglichkeiten regelmäßig keine Verletzung des Patents mit äquivalenten Mitteln.
Anmerkung: Kommentierungen zur "Pemetrexed"-Entscheidung von Meier-Beck in GRUR 2018, 241 "Pemetrexed: Grundstein einer einheitlichen europäischen Äquivalenzdoktrin?" und von Kellenter in GRUR 2018, 247 "Das Comeback der Äquivalenz: Anmerkungen zur neueren Rechtsprechung zur Äquivalenz in Deutschland und im Vereinigten Königreich"
BGH GRUR 2016, 365 "Verspätete hilfsweise beschränkte Verteidigung in Berufungsinstanz - Telekommunikationsverbindung"
1. Die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Ansprüchen in der Berufungsinstanz eines Nichtigkeitsverfahrens kann regelmäßig nicht als sachdienlich im Sinne von 116 Nr. II PatG 1 angesehen werden, wenn der Beklagte dazu bereits in erster Instanz Veranlassung hatte.
2. Ein Anlass zur zumindest hilfsweisen beschränkten Verteidigung in der ersten Instanz kann sich daraus ergeben, dass das Patentgericht in seinem nach Ierteilten Hinweis mitgeteilt hat, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürfte.
3. Macht der Beklagte in der ersten Instanz keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt der auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents geltend und erklärt er nach richterlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht, dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben soll, handelt es sich um ein neues Verteidigungsmittel, wenn der Beklagte in der Berufungsinstanz das Streitpatent erstmals hilfsweise beschränkt durch die Kombination des Hauptanspruchs mit Unteransprüchen des Streitpatents verteidigt und sich zur Begründung auf einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der Unteransprüche beruft.
BGH GRUR 2016, 361 "Nichtstatthafte Prüfung der Klarheit eines beschränkten Patentanspruchs - Fugenband"
1. Im Falle einer Selbstbeschränkung durch den Patentinhaber im Nichtigkeitsverfahren ist eine Prüfung der Klarheit des beschränkten Patentanspruchs jedenfalls insoweit nicht statthaft, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war.
2. Ist eine Patentnichtigkeitsklage von mehreren Klägern erhoben oder sind mehrere Klageverfahren, die dasselbe Patent zum Gegenstand haben, zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden, sind die Kläger notwendige Streitgenossen gemäß 62.