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BGH GRUR 2016, 50 "Zeichnungs-Offenbarung eines Teilbereichs innerhalb einer Bereichsangabe möglich - Teilreflektierende Folie"
Die Priorität einer Gebrauchsmustervoranmeldung, die eine Bereichsangabe enthält, kann jedenfalls dann wirksam in Anspruch genommen werden, wenn der in der Patentnachanmeldung beanspruchte, innerhalb dieses Bereichs liegende einzelne Wert oder Teilbereich in der Voranmeldung als mögliche Ausführungsform der Erfindung in einer schematischen Zeichnung offenbart ist.
Der Senat hat eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung des Merkmals „wobei die Folie eine Fläche von mindestens 3 mal 4 m aufweist“ aus 2 Zeichnungen gemäß
einer (vorveröffentlichten) Prioritätsgebrauchsmusteranmeldung (ohne Rückgriff auf Textpassagen der Beschreibung) herausgelesen und im Ergebnis dem Hauptanspruch der Nachanmeldung eine wirksame Priorität unter Vermeidung der Selbstkollision zugestanden.
Konkret führt der Senat hierzu in Rdn. 35 der Entscheidung aus:
"Aus dem Verhältnis der Größe des Vortragenden (Bezugszeichen 40) zu dem Abstand zwischen Bühnenboden und -decke und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Folie (Bezugszeichen 20) nicht senkrecht, sondern schräg verläuft, ergibt sich ohne weiteres, dass die dort gezeigte Folie eine Höhe von mindestens 3 m aufweist. Figur 4 lässt zudem erkennen, dass die Folie mindestens 4 m breit ist. Dies wird nicht nur dadurch deutlich, dass die Breite der Folie deren Höhe merklich übersteigt, sondern auch aus den aus Figur 4 ersichtlichen Größenverhältnissen zwischen Vortragendem und Bildobjekt."
Anders hierzu das EPA in T15/81:
„Figuren (Zeichnungen) kommt nämlich nur die Aufgabe zu, den prinzipiellen Aufbau einer Einrichtung zu erläutern. Sie sind aber nicht dazu bestimmt, irgendwelche maßlichen Angaben oder Relationen zu vermitteln“
sowie in T204/83:
„Kein Fachmann würde eine Schemazeichnung nachmessen, um dadurch die Abmessungen des dargestellten Gegenstands mit Sicherheit zu ermitteln. Abmessungen, die sich aus einer schematischen Zeichnungsdarstellung nur durch Nachmessen ergeben, gehören somit nicht zum Offenbarungsgehalt eines Dokuments.“
BGH GRUR 2015, 1184 "Keine Patentfähigkeit einer Maßnahme zur Entsperrung von Touchscreens - Entsperrbild"
1. Bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit bleiben Anweisungen, die die Vermittlung bestimmter Inhalte betreffen und damit darauf zielen, auf die menschliche Vorstellung oder Verstandesfähigkeit einzuwirken, als solche außer Betracht. Anweisungen, die Informationen betreffen, die nach der erfindungsgemäßen Lehre wiedergegeben werden sollen, können die Patentfähigkeit unter dem Gesichtspunkt der erfinderischen Tätigkeit nur insoweit stützen, als sie die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (Bestätigung von BGH, GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen; BGH, GRUR 2015, 660 – Bildstrom).
2. Informationsbezogene Merkmale eines Patentanspruchs sind darauf hin zu untersuchen, ob die wiederzugebende Information sich zugleich als Ausführungsform eines – im Patentanspruch nicht schon anderweitig als solches angegebenen – technischen Lösungsmittels darstellt. In einem solchen Fall ist das technische Lösungsmittel bei der Prüfung auf Patentfähigkeit zu berücksichtigen.