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BGH GRUR 2017, 208 "Umfassende Pflicht zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands - Rückruf von RESCUE-Produkten"

1. Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde (hier: wettbewerbsrechtliche Beanstandung von über Apotheken vertriebenen Produkten mit der Bezeichnung „RESCUE-TROPFEN“), ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst. Dies kann die Verpflichtung beinhalten, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken, soweit dies zur Beseitigung des Störungszustands erforderlich ist. Danach muss ein Schuldner, dem der Vertrieb eines Produkts untersagt worden ist, grundsätzlich durch einen Rückruf des Produkts dafür sorgen, dass bereits ausgelieferte Produkte von seinen Abnehmern nicht weiter vertrieben werden.

2. Die Klärung der Frage, welche Maßnahmen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands geboten sind, kann dem Vollstreckungsverfahren überlassen bleiben, wenn der Schuldner nicht bereits im Erkenntnisverfahren geltend macht, dass ihm die zur Beseitigung des Störungszustands nach Lage der Dinge erforderlichen Handlungen unmöglich oder unzumutbar sind.

Die Verlagerung von Beseitigungspflichten in den Unterlassungsanspruch führt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu einer Vorwegnahme der Hauptsache und als Kehrseite hierzu zu einer potenziellen Ausweitung der Schadensersatzpflicht des Antragstellers nach § 945 ZPO.

In Umsetzung der "Enforcement-Richtlinie" (europäische Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums) in deutsches Recht wurden für die einzelnen Schutzrechte des geistigen Eigentums (Patent, Gebrauchsmuster, Marke, Design etc.) zusätzlich zum allgemeinen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch Normen geschaffen, in denen konkretisiert Ansprüche auf Vernichtung/Überlassung an den Verletzten, Rückruf und endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen geregelt werden (siehe § 140a PatG; § 24a GebrMG, § 43 DesignG; § 98 UrhG; § SortG; § 9 II HalblSchG; §§ 18, 135 MarkenG).

BGH GRUR 2017, 152 "Verwendung gleicher Begriffe im Zusammenhang eines Patentanspruchs - Zungenbett"

Gleiche Begriffe haben im Zusammenhang eines Patentanspruchs im Zweifel auch gleiche Bedeutung. Ein unterschiedliches Verständnis eines Begriffs im Oberbegriff und im Kennzeichen eines Patentanspruchs oder sonst in unterschiedlichen Zusammenhängen kommt nur dann in Betracht, wenn die Auslegung des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen ein solches Verständnis ergibt.

BGH GRUR 2017, 148 "Hohe Anforderungen an neues Vorbringen in Nichtigkeitsberufung - Opto-Bauelement"

1. Die Wahl einer bestimmten Entgegenhaltung oder Vorbenutzung als Ausgangspunkt für die Lösung eines technischen Problems bedarf grundsätzlich der Rechtfertigung (Bestätigung von BGH GRUR 2009, 382 – Olanzapin; BGH GRUR 2009, 1039 Rn. 20 – Fischbissanzeiger).

2. Für die Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Ausgangspunkt für den Fachmann naheliegend war, ist grundsätzlich ohne Bedeutung, ob andere Ausgangspunkte möglicherweise als noch näherliegend in Betracht kommen.

3. Ein gemäß § 83 I PatG erteilter Hinweis des Patentgerichts, ein in einem Unteranspruch vorgesehenes Merkmal dürfte aus den vorgelegten Dokumenten nicht bekannt sein, gibt dem Nichtigkeitskläger regelmäßig Veranlassung, die Gründe aufzuzeigen, aus denen die Patentfähigkeit für den Gegenstand dieses Unteranspruchs zu verneinen ist.

Der Nichtigkeitskläger kann daraufhin eine ergänzende Recherche durchführen und ergänzend ermittelte Dokumente noch in der ersten Instanz vor dem BPatG ins Verfahren einführen. Die spätere Einführung weiterer Dokumente in der 2. Instanz vor dem BGH ist regelmässig wegen verspätetem Vorbringen nach § 117 PatG nicht möglich, es sei denn es kann schlüssig dargelegt werden, dass die weiteren Dokumente bei der früheren ergänzenden Recherche nicht hatten ermittelt werden können.