Aktuelle Beiträge

EuGH GRUR 2018, 1146 "Schutzfähigkeit (bejaht) für Schlossname als Fantasiebezeichnung für Sehenswürdigkeiten - NEUSCHWANSTEIN"

1. Das Wortzeichen „NEUSCHWANSTEIN“ bietet keinen Hinweis auf die geografische Herkunft der von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen (Klassen 3, 8, 14–16, 18, 21, 25, 28, 30, 32–36, 38 und 44), da das Schloss Neuschwanstein als solches kein Ort der Herstellung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen ist.

2. Für die Beurteilung der Frage des beschreibenden Charakters des Zeichens ist unerheblich, dass die erfassten Waren als Souvenirartikel an einem bestimmten Ort, auf den sich die Bezeichnung „Neuschwanstein“ bezieht, verkauft werden.

Anmerkung von Peter Ruess (GRUR 2018, 1150) zur Abgrenzung gegenüber BGH GRUR 2012, 1044 "Neuschwanstein", wo der Verwendung dieser Bezeichnung für Geschenk- und Souvenirartikel die Unterscheidungskraft abgesprochen wurde. Es bleibt dabei gemäss Ruess offen, ob ein deutsches Gericht eine markenmäßige Benutzung der Marke "NEUSCHWANSTEIN" für Geschenk- und Souvenirartikel im Falle einer Verletzungsklage bejahen würde.

BGH GRUR 2018, 832 "Keine Designverletzung da eingeschränkter Schutzumfang eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters - Ballerinaschuh"

1. Modelle, die über eine Internetseite dem allgemeinen Publikum zum Kauf angeboten werden, gehören zum vorbekannten Formenschatz, von dem der interessierte Benutzer Kenntnis nehmen kann, und sind bei der Prüfung des Schutzumfangs eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters zu berücksichtigen.

2. Umstände, die den Schutzumfang eines Geschmacksmusters zu schmälern geeignet sind, gehören grundsätzlich nicht zu den Tatsachen, die der klagende Schutzrechtsinhaber von sich aus offenbaren muss. Es obliegt vielmehr dem aus dem Geschmacksmuster in Anspruch genommenen Beklagten, hierzu vorzutragen.

3. Stellt derjenige, der unberechtigt wegen einer Schutzrechtsverletzung abgemahnt worden ist, infolge der Verwarnung den Vertrieb des beanstandeten Produkts ein, ist wegen des in der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung liegenden Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch der Schaden ersatzfähig, der dem Verwarnten infolge der Vertriebseinstellung nach Erhebung einer Klage wegen der Schutzrechtsverletzung entsteht.

Die Kl. ist ein spanisches Unternehmen, das Schuhe herstellt und vertreibt. Sie ist Inhaberin des beim EUIPO seit dem 3.5.2010 für Schuhe und Schuhsohlen eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nr. 001 212 351-0004 (Klagemuster), das in drei Ansichten einen gelben Ballerinaschuh mit einer zweifarbigen Sohle zeigt:

Die Bekl. zu 1, ein deutsches Unternehmen, bot im Jahr 2014 folgendes Schuhmodell an:

Sie wurde von der in den Niederlanden ansässigen Bekl. zu 2 beliefert. Nach Behauptung der Kl. lieferte die in China geschäftsansässige Bekl. zu 3 das angegriffene Schuhmodell nach Deutschland.

Das LG Düsseldorf hat (als 1. Instanz) der auf das Gemeinschaftsgeschmacksmuster gestützten Klage stattgegeben (Urt. v. 20.8.2015 – Az 37 O 111/14).

Nachdem die Bekl. zu 1 im Berufungsverfahren (2. Instanz) auf das von der Kl. im Internet angebotene, nachfolgend abgebildete Schuhmodell

(als ins Verfahren eingeführter vorbekannter Formenschatz) aufmerksam geworden war, hat sie in der Berufungsinstanz widerklagend die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Kl. wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung verlangt.

Das BerGer. hat daraufhin die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben (OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.2016 – Az I-20 U 134/15). Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebte die Kl. die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils und die Abweisung der Widerklage.

Die Revision wendet sich jedoch ohne Erfolg gegen die Ansicht des BerGer., der Kl. stünden keine Ansprüche aus ihrem Klagemuster zu, weil die angegriffene Ausführungsform das Klagemuster nicht verletze.

Das BerGer. hat zurecht angenommen, im Hinblick auf den erstinstanzlich zugrunde zu legenden vorbekannten Formenschatz sei das LG zwar zu Recht von einem weiten Schutzumfang des klagemusters ausgegangen. Unter Berücksichtigung des im Berufungsverfahren eingeführten vorbekannten Formenschatzes sei dagegen nur von einem durchschnittlichen Schutzumfang auszugehen.
 
Die erst im Berufungsverfahren eingeführte Entgegenhaltung komme dem Klagemuster wesentlich näher als alle Entgegenhaltungen aus der ersten Instanz, weil sie einen an die Form des menschlichen Fußes angepassten Schuh zeige, bei dem insbesondere der Fußspitzenbereich die Anordnung der Zehen und ihr Größenverhältnis zueinander deutlich erkennen lasse.
 
Abweichend vom Klagemuster weise dieser Schuh zwar eine sichtbare Steppnaht am äußeren Rand und eine nach unten gewölbte Sohle auf, so dass der Schuh klobiger wirke als das Klagemuster. Dieser Eindruck werde durch die unterschiedliche Gestaltung der beiden Schuhe im vorderen Knöchelbereich bestätigt. Während bei dem vorbekannten Muster neben der Schnürung ein breiter lederner Riemen geführt sei, bestehe der Verschluss des durch das Klagemuster geschützten Schuhs nur aus einer Schnürung. Dies betone seinen filigranen Charakter zusätzlich.
 
Das Klagemuster unterscheide sich damit zwar erheblich von dem vorbekannten Muster, die Ähnlichkeiten seien allerdings doch so groß, dass von einem geringeren Abstand des Klagemusters vom vorbekannten Formenschatz auszugehen sei, als dies erstinstanzlich der Fall gewesen sei.
 
Die Revision rügt auch ohne Erfolg, das BerGer. habe das in der Berufungsinstanz als Entgegenhaltung eingeführte Schuhmodell nicht als Teil des vorbekannten Formenschatzes berücksichtigen dürfen.
 
Die Revision wendet sich im Ergebnis ohne Erfolg gegen die Annahme des BerGer., das Klagemuster und die angegriffene Ausführungsform erweckten einen unterschiedlichen Gesamteindruck (keine Verletzung des Klagemusters).
 
Das BerGer. wird jedoch im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu prüfen haben, ob die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf der Grundlage wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes begründet sind.
 
 

BGH GRUR 2018, 605 "Kein Gebrauchsmusterschutz für Verfahren - Feldmausbekämpfung"

1. Im Gebrauchsmustereintragungsverfahren hat die Gebrauchsmusterstelle zu prüfen, ob eines der in § 2 GebrMG aufgeführten Schutzhindernisse vorliegt.

2. Der Ausschluss von Gebrauchsmusterschutz für Verfahren steht in Einklang mit GG Artikel 14 Absatz I und GG Artikel 3 Absatz I .

Wie das Bundespatentgericht in der Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ist ein Erfinder, der Schutz für ein Verfahren beansprucht, nicht rechtlos gestellt. Er kann nach Maßgabe der dafür einschlägigen Bestimmungen Schutz durch ein deutsches oder europäisches Patent erlangen.Der in § 2 Nummer 3 GebrMG vorgesehene Ausschluss vom Gebrauchsmusterschutz führt mithin nur dazu, dass die Rechtsstellung des Erfinders hinsichtlich bestimmter Gesichtspunkte eingeschränkt ist. So kann der Inhaber eines Patents Rechte gegenüber Dritten erst nach inhaltlicher Prüfung und Erteilung des Schutzrechts geltend machen, was typischerweise mehr Zeit in Anspruch nimmt als die im Wesentlichen auf formale Aspekte beschränkte Prüfung, die der Eintragung eines Gebrauchsmusters vorangeht.

Diese Regelungen betreffen nicht den Kern des Eigentumsrechts. Sie schließen einen Erfinder, der Schutz für ein Verfahren begehrt, lediglich von einzelnen Verwertungsmöglichkeiten aus.
 
Die abstrakte und generelle Regelung in § 2 Nummer 3 GebrMG wird schon dadurch gerechtfertigt, dass die Beschreibung eines Verfahrens in typischen Situationen nicht mit derselben Präzision möglich ist wie diejenige eines Erzeugnisses oder einer Verwendung und deshalb die für den Rechtsverkehr resultierenden Gefahren bei einem auf Schutz für ein Verfahren gerichteten nur formal geprüften Gebrauchsmuster typischerweise größer wären.