Aktuelle Beiträge

BGH GRUR 2018, 292 "Reichweite eines Unterlassungstitels - Produkte zur Wundversorgung"

1. Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist auch dann, wenn sie in einer einstweiligen Verfügung enthalten ist, mangels abweichender Anhaltspunkte dahin auszulegen, dass sie neben der Unterlassung derartiger Handlungen auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands (also zB eine Verpflichtung zum Rückruf von rechtsverletzend gekennzeichneten Produkten) umfasst.

2. Eine im Verfügungsverfahren grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache liegt regelmäßig dann nicht vor, wenn der Schuldner die von ihm vertriebenen Waren aufgrund der gegen ihn ergangenen einstweiligen Verfügung nicht bei seinen Abnehmern zurückzurufen, sondern diese lediglich aufzufordern hat, die erhaltenen Waren im Hinblick auf die einstweilige Verfügung vorläufig nicht weiterzuvertreiben.

Anmerkung: Kommentierungen zur "Produkte zur Wundersorgung"-Entscheidung von Ahrens in GRUR 2018, 374 "Beseitigung kraft Unterlassungstitel: berechtigter Aufstand gegen den BGH?" und von Lubberger in GRUR 2018, 378 "Zu Risiken und Nebenwirkungen kontaktieren Sie Ihren Anwalt oder Richter"

BGH GRUR 2018, 216 "Berechtigte Einsprechende im Einspruchsverfahren - Ratschenschlüssel"

Einem Einspruchsverfahren kann als Einsprechender auch derjenige Dritte beitreten, gegen den der Patentinhaber wegen Verletzung des Patents den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt hat.
 
Nach konkreter Fromulierung von PatG §59 II kann, wenn gegen ein Patent Einspruch erhoben worden ist, jeder Dritte dem Einspruchsverfahren nach Ablauf der Einspruchsfrist als Einsprechender beitreten, der nachweist, dass gegen ihn Klage wegen Verletzung des Patents erhoben worden ist, sofern er den Beitritt innerhalb von drei Monaten nach dem Tag erklärt, an dem die Verletzungsklage erhoben worden ist. Das gleiche gilt für jeden Dritten, der nachweist, dass er nach einer Aufforderung des Patentinhabers, eine angebliche Patentverletzung zu unterlassen, gegen diesen Klage auf Feststellung erhoben hat, dass er das Patent nicht verletze.
 
Durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist - neben den beiden Fallgruppen gemäß PatG §59 II - vom Patentinhaber auch der Bereich des bloßen außergerichtlichen Verfahrens  verlassen worden.
 

BGH GRUR 2018, 84 "Bestimmung der internationalen Zuständigkeit bei rechtsverletzenden Warenverkäufen über Internetseite - Parfummarken"

1. Bei der Bestimmung des für die internationale Zuständigkeit maßgeblichen schadensbegründenden Ereignisses in Fällen, in denen demselben Beklagten in verschiedenen Mitgliedstaaten begangene Verletzungshandlungen in Form der „Benutzung“ im Sinne von Art. EWG_VO_207_2009 Artikel 9 Absatz I VO Nr. 207/2009 vorgeworfen werden, ist nicht auf jede einzelne Verletzungshandlung abzustellen, sondern es ist eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens vorzunehmen, um den Ort zu bestimmen, an dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden ist oder droht.

2. Bietet ein Wirtschaftsteilnehmer (zB aus Italien) auf seiner Internetseite, die sich an Abnehmer in anderen Mitgliedstaaten (zB in Deutschland) richtet, unter Verletzung der Rechte aus einer Unionsmarke Waren zum Kauf an, die auf dem Bildschirm betrachtet und über die Internetseite bestellt werden können, ist der Ort des für die internationale Zuständigkeit maßgeblichen schadensbegründenden Ereignisses der Ort, an dem der Prozess der Veröffentlichung des Angebots durch den Wirtschaftsteilnehmer auf seiner Internetseite in Gang gesetzt worden ist (also hier Italien), und nicht der Ort, an dem die Internetseite abgerufen werden kann (also hier nicht Deutschland). Kommt der Kontakt zu Abnehmern in anderen Mitgliedstaaten (zB Deutschland) dadurch zustande, dass der Händler (zB aus Italien) Produkt- und Preislisten per E-Mail versendet, ist der Ort des schadensbegründenden Ereignisses der Ort, an dem die Versendung der E-Mail veranlasst wird (also Italien).

Anmerkung: Kommentierung zur "Parfummarken"-Entscheidung von Kur in GRUR 2018, 358 "De-facto Abschaffung der deliktischen Zuständigkeit im Unionsmarkenrecht?"